English
The ART PROJEKT handles classical music, rock, jazz and other forms of music within one festival, according each equal emphasis.
Famous artistic personalities from varying musical fields have been invited to participate as musical directors for one day each. They will bring with them new or established artists from their milieu, with whom they will appear.
It is especially to be desired that young, unknown musicians will receive the unique chance to prove their skill in front of a large audience and media. Artistic directors or/and invited performing artists or composers or choreographers in 1992:
Gidon Kremer, John Cale, Ornette Coleman, Lou Reed, John Zorn, John Neumeier, Arto Lindsay, Laurie Anderson, Brian Eno, Paul Hillier, Philip Glass, John Lurie, David Bowie, Amanda Miller, Dennis Russell Davies and 100 further artists.
Deutsch
Das ART PROJEKT behandelt Klassik, Rock, Jazz und andere Musikformen innerhalb eines einzigen Festivals, wobei alle Bereiche gleichwertig nebeneinander stehen.
Berühmte Künstlerpersönlichkeiten aus den unterschiedlichsten musikalischen Bereichen wurden eingeladen, um als künstlerische Leiter für jeweils einen Tag zu fungieren. Sie sollten neue und etablierte Künstler aus ihrem Umfeld einladen und mit ihnen zusammen auftreten. Insbesondere sollten junge, unbekannte Musiker die Gelegenheit erhalten, vor großem Publikum und den Medien ihre Fähigkeiten zu beweisen.
Künstlerische Leiter oder/und eingeladene Künstler oder Komponisten oder Choreographen 1992: Gidon Kremer, John Cale, Ornette Coleman, Lou Reed, John Zorn, John Neumeier, Arto Lindsay, Laurie Anderson, Brian Eno, Paul Hillier, Philip Glass, John Lurie, David Bowie, Amanda Miller, Dennis Russell Davies und 100 weitere Künstler.
“One of the most important activities in my career”.
“The festival dimension of the 21st century. It would be a miracle, if it happened”.
“Important for the ART PROJEKT: it could become a school of openness.”
„The best festival ever. I love it”.
„More than interesting.“
„It has to happen, with me, or without me.“
„Fascinating.“
„Perhaps one of the most grandious and certainly most original festivals of the now-age.”
(Norddeutscher Rundfunk)
„Summit of the Superstars.“
(Der Stern)
„A concert of the giants – The nine day event is a sensation in the music business.”
(Der Spiegel)
„Having made possible the constellation of big names is without doubt the magic of the producer.”
(Die Zeit)
„The Munich music festival ART PROJEKT strived for that which other progressive cultural representatives now and again theoretically proposed: the lifting of the borders of “U” and “E”, (the) informal, spontaneous association with culture, (the) introduction of new levels into the concert auditorium.”
(Frankfurter Allgemeine Zeitung)
„... story and program read just a little like a fairtale.”
(Süddeutsche Zeitung)
„An ingenious organization with astonishing public relations machinery – verifies the professionalism of the young team.”
(Frankfurter Allgemeine Zeitung)
„Christmas in autumn for Kremer, Glass und Zorn.“
(Der Kurier, Wien)
„Munich finally advanced into the center of the international avant-garde.”
(Die Abendzeitung)
„München is hip.“
(Tagesspiegel)
„One last hymn of praise: The ART PROJEKT did something against the rampant musical racism in the festival unculture.”
(Passauer Neue Presse)
„Eine der wichtigsten Aktivitäten in meiner Karriere.“
„Die Festival-Dimension des 21. Jahrhunderts.
Es wäre ein Wunder, würde es stattfinden.”
“Wichtig für Art Projekt ist: Es könnte eine Schule der Öffnung sein”.
„Das beste Festival aller Zeiten. Ich liebe es.“
„Mehr als interessant.“
„Es muß stattfinden. Mit mir, oder ohne mich.“
„Faszinierend.“
„Vielleicht eines der grandiosesten, mit Sicherheit aber originellsten Musikfestivals der Jetztzeit.“
(Norddeutscher Rundfunk)
„Gipfel der Giganten.“
(Der Stern)
„Die neuntägige Veranstaltung ist eine Sensation im Musikgeschäft“.
(Der Spiegel)
Die Konstellation der großen Namen ermöglicht zu haben, ist ohne Zweifel ein Kunststück des Produzenten.“
(Die Zeit)
„Das Münchener Musikfestival Art Projekt strebte an, was progressive Kulturvertreter theoretisch immer wieder vorbrachten: Entgrenzung von „U“ und „E“, ungezwungener, spontaner Umgang mit Kultur, Heranführung neuer Schichten an den Konzertsaal“.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung)
„... ein bißchen lesen sich Geschichte und Programm wie ein Märchen“.
(Süddeutsche Zeitung)
„Eine ausgeklügelte Organisation mit erstaunlicher PR-Maschinerie ... belegte die Professionalität des jungen Teams“.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung)
„Weihnachten im Herbst für Kremer, Glass und Zorn.“
(Der Kurier, Wien)
„Endlich stand München im Blickpunkt der internationalen Avantgarde.“
(Die Abendzeitung)
„München ist hip.“
(Tagesspiegel)
„Eine letzte Lobeshymne: Das ART PROJEKT tat etwas gegen den grassierenden musikalischen Rassismus in der Festival-Unkultur.“
(Passauer Neue Presse)
ENGLISH VERSION TO FOLLOW IN 2015
Das Konzept zum Art Projekt Internationales Musikfestival wurde von Franz Abraham 1990 entwickelt und geht auf eine Skizze zu Schulzeiten im Jahre 1982 zurück. Es war der Ausgangspunkt und die Hauptmotivation für Franz Abraham und seinen damaligen Partner Robert Langer, 1986 ART CONCERTS in Rosenheim bei München als Konzertagentur zu gründen.
Das erste ART PROJEKT wurde nach dem Ausscheiden von Langer 1992 in allen Sälen des Münchner Gasteigs (Philharmonie, Carl Orff Saal, Black Box, Kleiner Konzertsaal) realisiert. Und dies, obwohl sich die Stadt München mit der versprochenen Subvention in Höhe von bis zu DM 800.000 zurück zog, und schließlich nur die Säle, in der Ferienzeit und ohne Nebenkosten, zur Verfügung stellte. Abraham stand im Wort bei zahlreichen namhaften Managements und entschloß sich, das Projekt alleine zu finanzieren. Den geplanten und entstandenen Verlust in Höhe von über DM 1 Mio. konnte Abraham durch kommerzielleund dennoch hochkarätige Projekte (Königsplatz Open Air, Lipizzaner Gala, The Rolling Stones usw.)binnen drei Jahren an seine Lieferanten und Banken auf Heller und Pfennig zurück zahlen.
Das Konzept besteht darin, Klassik, Jazz, Rock, Ethno und andere Musikformen gleichberechtigt innerhalb desselben Festivals zu behandeln – nicht zu verwechseln mit meist kitschigen Versuchen wie „Pop meets Classic“. Der Clou besteht darin, daß berühmte Künstlerpersönlichkeiten aus unterschiedlichen musikalischen Bereichen eingeladen werden, als Programmgestalter für jeweils einen Tag mitzuwirken. Dabei bringen sie aus ihrem Umfeld junge, aber auch etablierte Künstler zusammen und treten mit ihnen auf.
DAS KONZEPT (1996) IN VERKÜRZTER FORM
Das ART PROJEKT behandelt Klassik, Rock, Jazz und andere Musikformen gleichberechtigt in einem Festival.
Berühmte Künstlerpersönlichkeiten aus unterschiedlichen musikalischen Bereichen werden eingeladen als Programmgestalter für jeweils einen Festivaltag mitzuwirken und dabei aus ihrem Umfeld neue, aber auch etablierte Künstler zusammenzubringen und mit ihnen aufzutreten.
Die künstlerischen Leiter wollen bei der Gestaltung ihres Festivaltags einerseits private musikalische Vorlieben, andererseitsbedeutende Kunstströmungen der Gegenwart zum Ausdruck bringen. Hierbei soll auch die Komposition neuer Werke und deren Uraufführung sowie die Schaffung ungewöhnlicher musikalischer Inhalte, neuer Arrangements etc. angeregt werde.
Die gesamte Tagesgestaltung obliegt dem Protagonisten. Er ist dabei aufgefordert, nicht nur beim Hauptprogramm – einem aus mehreren Sektionen bestehenden Konzert am Abend jedes Festivaltages –selbst mitzuwirken, sondern auch bei den übrigen Tagesprogrammen in anderen Sälen. Zudem sollen dem Publikum, Laien wie Insidern, durch Zusatzprogramme wie Kino, Diskussionsforen, öffentliche Proben etc. weitere Facetten des Begriffs Musik vermittelt werden.
Während des mehrtägigen Aufenthalts aller Beteiligten, um neue Programme einzustudieren, und somit dem Tournee-Festival-Modus mit den immerselben Stücken zu entfliehen, soll die Kommunikation zwischen den Künstlern angeregt werden, die sich im gewöhnlichen Musikleben sonst kaum näher kommen. Die Entwicklung innovativer Inhalte soll auf diese Weise besonders gefördert werden.
Das ausführliche Konzept aus dem Jahre 1991 finden Sie weiter unten.
obenART PROJEKT ´92 MÜNCHEN, 28.8. – 6.9.1992
ENGLISH VERSION TO FOLLOW IN 2015
Als musikalische Leiter konnte Abraham, 27 Jahre alt und international noch wenig vernetzt, für 1992 Künstler gewinnen wie Gidon Kremer (Violine – Klassik / Neue Musik), Philip Glass (Komposition – Minimal Music), Paul Hillier (Gesang - Alte Musik), John Zorn (Saxophon/Komposition – New Jazz), Arto Lindsay (Gitarre/Platten-Produktion – Pop, Ethno), Ornette Coleman (Saxophon/Komposition – Free Jazz), und John Cale (Klavier, Gesang/Komposition – Rock > Velvet Underground).
Diese künstlerischen Leiter luden wiederum über einhundert weitere Künstler, Komponisten und Acts ein, bis hin zu einer mehrtägigen, skurrilen Disco-Performance des Jackie-60-Underground-Clubs aus NYC. Zudem gab es Open Air täglich Musikfilme auf Großleinwand. Unter den eingeladenen Künstlern waren u.a. Lou Reed, Laurie Anderson, John Lurie.
EXKURS
Lou Reed und Laurie Anderson wurden nach ihrer Ankunft im Hotel Vier Jahreszeiten am Frühstückstischvon Franz Abraham einander vorgestellt und waren nach dem ART PROJEKT ein Paar. Obwohl sie nur wenige Straßen voneinander entfernt in NYC Downtown wohnten, kannten sie sich davor nicht.
Lou Reed und John Cale (Velvet Underground) waren mehrere Tage gleichzeitig im Gasteig und in den Probenräumen, allerdings streng getrennt. Abraham wagte es nicht, eine Wieder-Begegnung anzuregen.Gleichzeitig gastierten in Augsburg Stirling Morrison und Moe Tucker. Velvet Underground war im September 1992 also komplett in Oberbayern versammelt. Ein halbes Jahr später kam es zur Re-Union von Velvet Underground.
Lou Reed saß neben weiteren 30 Juden, die John Zorn für seine zwei Tage mit Radical New Jewish Cultureeingeladen hatte, in der klaustrophobisch-kleinen Black Box, um sich die Uraufführung von Zorns Komposition „Kristallnacht“ anzuhören. Alle Juden hatten einen großen gelben Davidsstern aufgesteckt. Abraham, ein Katholik, ließ am Eingang Zettel verteilen, daß für Gehörschäden nicht gehaftet wird, und daß, wer einmal da rein geht, nicht mehr heraus gelassen wird. Das Konzert, die Kristallnacht begann mitternachts.
Im Programmheft einer Ausstellung der jüdischen Museen in Berlin (2011) und Paris (???2010),wo Exponate des ART PROJEKTS (Plakat, Programmheft etc.) gezeigt wurden, wird das ART PROJEKT nachträglich geadelt:
„Dieses Festival ... kann als Auslöser eines kollektiven Schocks gelten, denn das Erlebnis der ... jüdischen Selbstidentifizierung unter den Downtown-Experimentalisten war unerwartet stark. In der Folge des ART PROJEKTS gingen viele Künstler der Frage nach, woher diese gemeinschaftliche Kraft kam und wie sich ihr bisheriges Fehlen...“. (Tamar Barzel, Musikethnologin am Wellesey College, Massachusetts).
Mehr zur Relevanz des ART PROJEKTS, insbesondere für die jüdischen Künstler, lesen Sie in der eigenen Rubrik zur Ausstellung in Berlin.
EXKURS BEENDET
WEITERER EXKURS (Den Anfang findet man auch unter JEWISH CULTURE & ART PROJEKT ´92):
Auch alle anwesenden, nicht ausführenden jüdischen Musiker/Komponisten, die John Zorn zu seinen zwei Tagen (ansonsten bekam nur Gidon Kremer zwei Tage) beim ART PROJEKT ´92 eingeladen hatte, und es waren wohl 30, saßen unter den Zuhörern und trugen ebenfalls große, gelbe, unterschiedliche, selbstgemachte Davidsterne,darunter Lou Reed und John Lurie.
Ich ließ Zettel verteilen, daß jeder der reingeht, nicht mehr heraus gelassen würde, und daß wir für Gehörschäden keine Haftung übernehmen würden.
Das war gespenstisch und gut, und das um Mitternacht in München. Um Mitternacht begann die Kristallnacht erst. Beide Vorstellungen waren ausverkauft.
Erstaunlich, daß München (bzw. die SPD), die Hauptstadt der Bewegung, solch ein Festival nicht finanzieren wollte, außer mit der alibi-zynischen Zugabe kostenloser Saalmieten in den Sommerferien, als die Säle eh leer standen - die enormen Nebenkosten mußte ich selbst zahlen.
Der damalige Gasteigdirektor Dr. Heintz meinte bei der Abrechnung, als ich, erstmals in meiner ganzen Existenz gefährdet, um einen Nachlaß von DM 12.000 bei den Nebenkosten kämpfte: „Dann verkaufen Sie doch einfach wieder mal einen Maserati“ (ich war damals noch am Autohaus Abraham beteiligt).
Jahre später, im Kulturreferat, als ich den Kulturreferenten Julian Nieda-Rümelin traf (wie KANN ein halbwegs sich selbst ehrlicher und fähiger Philosoph nur Referent werden, how?, sic?, what?), und eine hinkende Frau des Referats dabei saß, rechnete sie ihm und mir vor, daß die Stadt München schließlich fast DM 1 Mio. zugeschossen habe:
Das waren die Saalmieten in der internen Verrechnung. Daran konnte man ablesen:
1. Wie hoch die Markt-Saalmieten subventioniert waren.
2. Wie unaufrichtig-penetrant die KulturVERWALTER immer noch ihren in Wahrheit lächerlichen Sach-Beitrag
in ungenutzen Ferienzeiten zu einem Festival von Weltgeltung werteten.
Genau das ist das Problem: Daß die meisten Menschen sich selbst belügen: Sie merken es nicht einmal.
Ein anderes Mal, als ich um 23.15 Uhr Dave Brubeck bei einem Konzert (hat nichts mit dem ART PROJEKT zu tun) in der Philharmonie eine ?vierte Zugabe spielen lassen wollte, nämlich TAKE FIVE, teilte man mir mit, daß damit eine neue Stunde beginne, und daß die Zugabe damit DM 1.000 koste. Daraufhin habe ich die Zuzugabe untersagt, obwohl die Besucher trampelten.
Ich war nur einmal so wirklich blauäugig: Beim ART PROJEKT – Es ist einfach lächerlich, ja grotesk!
Also habe ich es selbst gemacht, die Finanzierung 1992, mit 28, mich wundert das heute noch wie das ging, wie so vieles, und ich habe jahrelang meine aberwitzigen Schulden (über DM 1 Mio.) abbezahlt.
Es war ja immer mit einer hohen sechsstelligen Subvention geplant, die versprochen war, 1991.
Aber auch danach wollte München nicht (s. „Geschichte und Konzept“/Nachfinanzierung). Man begnügte sich vorher, und man genügt sich seitdem mit Mainstream, Oper damit die Möchtegern-Großbürger ihre an Geschmacklosigkeit nicht zu übertreffenden Roben spazieren führen können, Pseudo-Festivals der Populärkultur, und mit hoch subventionierten Marstallaufführungen, bei 47 Besuchern (darunter 15 Journalisten und mindestens 7 Freikarten = 15 + > 7 = > 22 verkaufte Karten) oder mit einer Biennale für Neues Musiktheater, die zwar gut gewollt, aber in weiten Teilen irrelevant ist, so als ob man die Salons wie bei Marcel Proust wieder einführen wollte, nur viel schlechter, eine Biennale, die fast ohne Ticketeinnahmen auskommt, und aus der in 25 Jahren noch kaum ein Stück hervorgegangen ist, das jemals wieder, geschweige denn woanders aufgeführt wurde.
Man KANN doch nicht etwas allzweijärhlich aufführen, wofür sich so gut wie niemand interessiert, nur weil es dem Kulturverständnis von ganz ganz wenigen entspricht – wenn es nur mit Millionen an Subventionen geht.Mit einer überschaubaren Subvention ist es etwas anderes.
Das trifft zwar auch für die konventionelle Oper zu, doch das interessiert wenigstens noch einige viele, und sei es zum Spazierenführen ihrer geschmacklosen Roben. Ich bin ja eigentlich, schon mitunter, für die hochwertige Minderheitenbespielung, aber hier spricht aus mir der mit dem ART PROJEKT aus Ignoranz und Mauschelei der Instanzen fast zugrunde gegangene.
WEITERER EXKURS BEENDET
Trotz der ungünstigen Ferienzeit waren die Veranstaltungen gut gefüllt oder ausverkauft. Begeisterte Besucher reisten aus ganz Europa an. Die Medien überschlugen sich in Lobeshymnen. „München rückte endlich ins Zentrum der internationalen Avantgarde“ schrieb die Münchner Abendzeitung.
Weitere Pressezitate lesen Sie weiter oben.
Aufgrund des überwältigenden Erfolgs „beschloß“ der Stadtrat auf Vorschlag von FDP, Die Grünen und CSU eine symbolische Nachfinanzierung in Höhe von DM 100.000. TZ und AZ berichteten darüber. Doch die SPD mit Kulturbürgermeister Ude sorgten dafür, daß die DM 100.000 nicht ausgezahlt wurden – mit dem Argument, daß die Gesamtfinanzierung der geplanten Neuauflage 1994 – das ART PROJEKT sollte biennal stattfinden – noch nicht gesichert sei.
Daraufhin hatte Abraham die Schnauze voll von München und begann international zu akquirieren.
ART PROJEKT ´96 KOPENHAGEN, 20.9. – 29.9.1996
ENGLISH VERSION TO FOLLOW IN 2015
Im Auftrag des Intendanten der Kulturhauptstadt Europas 1996, Kopenhagen, konnte Abraham erstmals risikofrei und für ein mittleres sechsstelliges Honorar sein Traumprojekt in zweiter Auflage scheinbar unter Idealbedingungen realisieren. Einzig die schwierige Situation mit den Spielstätten in Kopenhagen waren ein Wermutstropfen.
Die künstlerischen Leiter in Kopenhagen waren:
Martha Argerich mit Alexandre Rabinovich (Klavier – Klassik/Neue Musik), Branford Marsalis (Saxophon – Jazz), Kronos Quartet/David Harrington (Streichquartett – Neue Musik), Steve Reich (Komposition – Neue Musik), Sabri Brothers (Band – Ethno: Sufi), Sven Väth (DJ – Installation von Cocoon).
Das gesamte Programm finden Sie in der eigenen Kategorie ART PROJEKT ´96.
DAS KONZEPT (1990/1992) = VORGABE AN DIE KÜNSTLERISCHEN LEITER
ENGLISH VERSION TO FOLLOW IN 2015
AUSGANGSGEDANKEN
Bis zum vorigen Jahrhundert gab es in der abendländischen Musik Musik nur eine einzige, allgemein anerkannte Tradition.
Eine Unterscheidung in ernste und unterhaltende Musik war kaum nötig. Erst im 19. Jahrhundert kam es zu einer Aufspaltung von Kunstmusik und Gebrauchsmusik. In unserem Jahrhundert traten mit Jazz und Rock zwie Bereiche hinzu, die zunächst vor allem funktional geprägt waren.
Die nach der Aufklärung auf allen gesellschaftlichen Ebenen einsetzende Spezialisierung und Individualisierung machte auch vor dem Komplex „Musik“ nicht halt. Vormals ganzheitliche Musiktraditionen zerfielen in heute kaum mehr überblickbare Einzelbereiche.
Diese voneinander getrennten Bereiche unterschiedlichster Prägung schufen sich jeweils ihren eigenen musikalischen Kontext. Die Vertreter der verschiedenen „Kasten“ versuchten kaum noch, über ihre selbst gewählten oder anerzogenen Grenzen hinauszuschauen. Selbst die Verständigung innerhalb der jeweiligen Blöcke erwies sich als schwierig. Heute äußern sich Künstler – bei prinzipiell vergleichbarer Begabung – in jahrzehntelang isoliert gehaltenen Bereichen, für die Begriffe wie Jazz, Rock, Klassik, „World Music“ nur noch Oberbegriffe sind: Unscharfe Musikregionen, die sich ständig weiter verzweigen und kaum mehr definiert werden können.
So kann die „Harmolodics“ genannte Klangwelt des Free-Jazz-Pioniers Ornette Coleman nicht mehr als „Jazz“ bezeichnet werden; die äußerst reduzierten, mystischen Kompositionen des „E-Musikers“ Arvo Pärt lassen sich nicht mit seriellen, elektronischen oder romantischen Klassikkategorien bemessen; ein dem Rockbereich längst entstammender Künstler wie Sting ist längst kein „Rocker“ mehr.
In jüngerer Zeit allerdings wird vielen Komponisten/Musikern bewußt, daß diese verschiedenen Strömungen der Musik gleichberechtigt nebeneinander stehen. Man könnte von einer Wahrnehmung der „Einheit der Musik in der Vielfalt ihrer Stimmen“ sprechen. Gleichzeitig gelangen immer mehr Musiker zu der Ansicht, daß es zwischen den Bereichen Brücken gibt, die lange Zeit unbetreten blieben; daß sie sich nur durch musikalisch verschiedenartige Umsetzungen von ähnlichem menschlichen Empfinden und Denken unterscheiden. – Und daß man gemeinsam aus einer einzigen, großen musikalischen Quelle schöpft.
Diese Bewußtseinsentwicklung geht einher mit der Tatsache, daß eine wachsende Zahl von Musikern in verschiedenen musikalischen „Welten“ lebt. Eine Konfrontation dieser Bereiche läßt den interessierten Zuhörer Zusammenhänge erkennen. Die macht ihn hellhörig, und vertieft das musikalische Verstehen.
Eine Plattform aber, die solche Tendenzen einer breiten Öffentlichkeit nahebringt und gleichzeitig, bei höchstmöglicher künstlerischer Qualität und unabhängig von der Stilrichtung – die Ebenbürtigkeit von verschiedenen musikalischen Inhalten offenbart, ist bis heute nicht vorhanden.
INHALTE
Das ART PROJEKT umfaßt neun Tage: Vom 28. August bis 6. September 1992. Zentrum und Hauptspielstätte ist der Münchner Gasteig (Philharmonie, Carl Orff Saal, alle übrigen Spielstätten), sowie die Lukas Kirche.
Jeder einzelne Tag ist zunächst gesondert zu betrachten.
Es gibt für die Termine jeweils einen Programmdirektor, dessen Bekanntheit und künstlerische Brillanz höchstes Niveau verbürgen. Dieser Komponist oder Musiker soll primär nicht selbst musizieren. Vielmehr soll er den Versuch unternehmen, musikalische Strömungen, die ihn selbst geprägt haben und faszinieren, oder die er für die zukünftige Entwicklung für bedeutsam erachtet, zu einem außergewöhnlichen, unter Umständen konträr Gesamtprogramm zu verbinden.
Dazu lädt er andere, teils unbekannte Künstler ein oder stellt neu formierte Besetzungen vor. Er nimmt seine Aufgabe als künstlerischer Leiter einen oder zwei Tage wahr, indem er selbst als ausführender Künstler eingreift. Auch die Erstaufführung neu komponierter Werke wird in diesem Zusammenhang angestrebt.
Das Konzert am Abend soll die Hauptveranstaltung eines jeden Tages bilden. Sie kann schon am späten Nachmittag beginnen und wird aus mehreren, durch längere Pausen getrennte Sektionen bestehen. Hinzu kommen je nach Charakter dieses Abendprogramms und künstlerischer Zielsetzung seines Protagonisten: Öffentliche Proben, Einführungsvorträge, musikphilosophische Diskussionsrunden, Workshops, experimentelle Kleinkonzerte usw., die den Rest des Tages ausfüllen. Kein Tag muß allerdings Theorie enthalten: Der eine kann um 5.00 Uhr früh mit einem Sonnenaufgangskonzert am Isarufer beginnen, der andere um 2.00 früh in einem Betonwerk mit der (noch nicht existierenden) 8. Symphonie von Glenn Branca enden. Dieses Konzept bedeutet keinen Versuch, nur neue Werke aufzuführen. Zu erwarten ist vielmehr, daß auch bekannte Kompositionen gespielt werden; zumal die für die jeweiligen Künstler relevanten Komponisten meist in der bereits geschriebenen und etablierten Musikgeschichte zu suchen sein dürften. So ist es denkbar, daß für einen Jazzmusiker Komponisten wie Jimi Hendrix, Johann Sebastian Bach, Duke Ellington, Charlie Parker und John Cage gleichermaßen von Bedeutung sind.
Interdependenzen sollen auch dadurch offensichtlich werden, daß zwei scheinbar gegensätzliche Künstler gleichartige Programmpunkte entwickeln: Indem beispielsweise ein Rock-Musiker ebenso wie ein Vertreter der Klassikszene in seinem Tagesprogramm auf den verstorbenen Jazzer Thelonious Monk Bezug nimmt.
ZIELE
Wie jeder einzelne Tag zwar ein subjektives, doch in sich geschlossenes Musikbild darstellen soll, so soll sich durch die Gesamtschau der neun Tage ein nachdrückliches Bild von Entwicklungen und Tendenzen wesentlicher Musik ergeben. Der Anspruch auf enzyklopädische Vollständigkeit besteht dabei selbstverständlich nicht. Verbindungen über die einzelnen Tage hinweg werden zwar erwartet, können jedoch nicht erzwungen werden.
Keinesfalls darf das ART PROJEKT auf eine Stufe mit Bestrebungen gestellt werden, nur kleinste gemeinsame Nenner aufzufinden. Die zahlreichen „Pop meets Classic“-Anläufe zum Beispiel versuchten nur ad hoc Verschmelzungen, die sich in dieser Form verbieten.
Der Aspekt des Einmaligen, Neuen, rein Schöpferischen muß im Vordergrund stehen. Jeder Tag ist seiner Art unwiederholbar. Es wird eine Befreiung des des Live-Auftritts von den üblichen Zwängen des Konzertbetriebs angestrebt, etwa für neu aufgelegte Plattenaufnahmen PR zu machen (dies gilt vor allem für Tage, die der Rock- und Jazzszene nahestehen). Im Gegenteil: Mit dem ART PROJEKT sollen musikalische Inhalte zur Übernahme auf Tonträger erst entstehen.
Insbesondere für die aus dem Klassikbereich eingeladenen Musiker gilt es, dem Interpretenkult (der in der Rockmusik aufgrund der Identität von Autor und Interpret nicht existiert) durch Anwesenheit und Mitwirkung zeitgenössischer Komponisten entgegenzuwirken. Das Festival soll jenseits einer Überflutung durch Trivialmusik, jenseits einer Reserviertheit gegenüber zeitgenössischen Entwicklungen, jenseits des Unbehagens vieler Menschen gegen Kunstmusik im allgemeinen, aber jenseits der akademischen, pseudoelitären Ausrichtung der traditionellen Klassikszene das Interesse eines neuen Publikums erschließen: Das Interesse an der Kunstform Musik als einer vielschichtigen Ganzheit, die, geschichtlich gewachsen, auch heute die Aufgabe hat, an der Gestaltung der gesellschaftlichen Umwelt mitzuwirken. (Die umgekehrte Fragestellung, inwieweit Musik auch Dokumentarkunst, ein Abbild des gesellschaftlichen „Istzustands“ sein kann, läßt sich kaum beantworten).
NEBENZIELE
Trotz des konzeptimmanenten Anspruchs kann das Ideal einer derartigen Veranstaltung nicht allein die Befriedigung der Kritik und eines eng begrenzten Kreises sein. Auch breitere Bevölkerungsschichten sollen u.a. durch die Vorstellung verschiedenster Präsentationsformen von Musik (bspw. Dico-Nächte mit DJs aus London und NYC, Musik + Kino, Musik-Theater, Open Air Kino etc.) in Zusatzprojekten interessiert werden. Gleichzeitig sind damit weitere Facetten des unausschöpflichen Themas Musik zu beleuchten.
Für den Spezialisten wiederum werden zur Diskussion theoretischer Grundlagen Work Shops und Diskussionsforen eingerichtet. Auch in diesen Gestaltungsprozeß sollen die Tagesdirektoren bei Interesse einbezogen werden.
Dieses Projekt könnte, über die Grenzen von Deutschland hinaus, Strahl- und Signalkraft entwickeln.
Rosenheim, September 1990
Dieser Text von Franz Abraham wurde allen Musikern – als Konzept, Idee und Anregung – im Vorfeld geschickt.